Traditionelle Vietnamesische Medizin: Eine Reise in Jahrhundertealte Heilkunst

Unser Zugang zur traditionellen vietnamesischen Medizin

Es begann mit Schulterschmerzen. Unangenehm, hartnäckig – nichts Dramatisches, aber genug, um den Alltag zu stören.
Ly meinte nur: „Geh zur Akupunktur.“ Also ging ich.

Zwei Stunden später lag ich auf einer Liege, eine große Hand setzte winzige Nadeln – und der Schmerz ließ nach.
Zwanzig Minuten später stand mein Rücken im wahrsten Sinne des Wortes in Flammen.
Keine Magie, kein Wunder. Aber ein Anfang: für meinen verspäteten Zugang zur traditionellen vietnamesischen Medizin.

Wenn man hier lebt – oder öfter wiederkommt – merkt man: Gesundheit wird in Vietnam anders gedacht.
Vieles, was in unserer Welt der Effizienz, Normen und festen Abläufe als alternativ oder exotisch gilt, gehört hier ganz selbstverständlich zum Alltag. Nicht als Ersatz zur Schulmedizin, sondern als Ergänzung. Für die Balance.

Wir möchten dich mitnehmen – auf eine persönliche Reise durch ein Thema, das in Vietnam tief verwurzelt ist. Und das uns im Alltag immer wieder begegnet.

Wurzeln, die weit zurückreichen

Die traditionelle vietnamesische Medizin – in Vietnam „Đông y“ genannt – blickt auf eine lange Geschichte zurück.
Viele ihrer Grundlagen stammen ursprünglich aus der chinesischen Heilkunde, wurden aber im Lauf der Jahrhunderte weiterentwickelt und regional angepasst.

Die Einflüsse reichen von der Kaiserzeit über buddhistische Klöster bis hin zu modernen Praxen für traditionelle Medizin, die heute vielerorts bestehen.

Manches wirkt auf den ersten Blick fremd – etwa individuell abgestimmte Rezepturen aus Heilpflanzen, Wurzeln, Rinden oder Mineralien. Doch dahinter steht ein Prinzip: Erfahrung, Beobachtung, Weitergabe. Und ein Gesundheitsverständnis, das Symptome nicht unterdrückt, sondern Balance wiederherstellt – körperlich, geistig, sozial.

Beide Richtungen – Schulmedizin und traditionelle Medizin – sind von staatlicher Seite anerkannt. Moderne Kliniken und ausgebildete Fachkräfte gehören genauso dazu wie Familienwissen und regionale Anwendungen.
Und ja: Manchmal steht die Klinik für westliche Medizin direkt neben der traditionellen Apotheke – Tür an Tür.

Gesundheit – anders gedacht

Wer eine Nhà thuốc Đông y – eine Apotheke für traditionelle Medizin – betritt oder mit einem traditionellen Arzt spricht, merkt schnell: Die Sprache ist eine andere. Es geht nicht um Laborwerte, Grenzbereiche oder Nebenwirkungen.

Es geht um Wärme und Kälte, um Energie, Bewegung, Ernährung – und um das Zusammenspiel von allem. Drei grundlegende Vorstellungen begegnen einem dabei immer wieder:

Yin und Yang
Zwei Kräfte, die sich ergänzen und in Balance bleiben sollen. Yin steht für das Ruhige, Dunkle, Weibliche – Yang für das Aktive, Helle, Männliche.
Zu viel Hitze? Vielleicht zu viel Yang. Kälte in den Gelenken? Möglicherweise zu viel Yin.
Klingt abstrakt – wird in der Praxis aber oft sehr pragmatisch angewendet.

Die fünf Elemente
Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser – jedes Element steht für bestimmte Organe, Körperfunktionen und zugleich für Zyklen des Lebens: den Frühling des Wachstums, den Sommer der Fülle oder den Winter der Ruhe.
Sie beeinflussen sich gegenseitig, bauen aufeinander auf oder gleichen sich aus.
Wer sich mit dieser Logik beschäftigt, erkennt: Es ist ein System. Kein mystischer Baukasten, sondern eine strukturierte Sicht auf Zusammenhänge.

Qi – die Lebensenergie
Qi ist der Begriff für das, was den Körper in Bewegung hält. Fließt Qi ungehindert, fühlt man sich kraftvoll. Staut es sich, entstehen Beschwerden.
Viele Methoden der traditionellen Medizin – Akupunktur, Massage, Moxibustion – zielen genau darauf ab: den Fluss des Qi zu harmonisieren.

Methoden, die sich bewährt haben

Traditionelle Anwendungen begegnen einem überall – in Apotheken, Gesprächen, Kliniken oder einfach im Alltag.
Hier eine Auswahl der Methoden, die in Vietnam bis heute zum Alltag gehören – in Städten wie auf dem Land:

Heilpflanzen & Rezepturen – individuell gemischt

Getrocknet, gekocht, zerrieben, als Tee, Tinktur oder Badezusatz – Heilpflanzen spielen eine zentrale Rolle.
Je nach Rezeptur werden Kräuter individuell zusammengestellt, für ganz konkrete Anwendungen oder Beschwerden.

  • Beifuß (Ngải cứu): bei Verspannungen, zur Stärkung und Beruhigung
  • Lotus (Hoa sen): bei Schlafstörungen, zur Verdauungsförderung
  • Zimt, Ingwer, Ginseng: zur Kreislaufregulierung, bei Kältegefühl oder zur allgemeinen Kräftigung

Traditionelle Apotheken stellen diese Mischungen meist direkt vor Ort her – nach ärztlichem Rezept oder nach einem kurzen Gespräch mit dem Patienten.

Vorgepackte Heilkräuterpäckchen im Kühlschrank zu Hause
Trinkfertige Heilkräuterpäckchen im Kühlschrank zu Hause
Wenn Nadeln oder Druck den Energiefluss regulieren

Feine Nadeln werden an bestimmte Punkte im Körper gesetzt – je nach Art und Ort der Beschwerden.
Manche Behandlungen sind kaum spürbar, andere deutlich intensiver. Ziel ist in jedem Fall, Blockaden zu lösen und den Energiefluss zu harmonisieren.

Viele nutzen Akupunktur zum Beispiel bei Rückenbeschwerden, chronischer Verspannung – oder auch, um Migräneanfällen vorzubeugen.

Wer keine Nadeln mag, findet in der Akupressur eine sanfte Alternative. Hier wird gezielter Druck auf dieselben Punkte ausgeübt – mit Fingern, Handballen oder kleinen Hilfsmitteln.

Akupunkturnadeln im Rücken
Akupunkturnadeln im Rücken – klassische Anwendung zur Energieflussregulierung
Wärme gegen Kälte – mit glimmendem Beifuß

Bei dieser Methode wird getrockneter Beifuß (Moxa) erhitzt und in die Nähe von Akupunkturpunkten oder schmerzenden Körperstellen gebracht.
Die Wärme soll Kälte vertreiben, Verspannungen lösen und die Durchblutung anregen.

Angewendet wird Moxa entweder direkt auf der Haut (selten), über Nadeln oder in Form kleiner Moxazigarren.

Mit Unterdruck zu mehr Durchblutung

Beim Schröpfen wird mit Hilfe von Glasbechern und offenem Feuer ein Vakuum auf der Haut erzeugt.
Die Methode wird eingesetzt, um die Durchblutung zu fördern, Muskeln zu lockern und den Stoffwechsel zu unterstützen.

Die runden Abdrücke nach einer Sitzung sehen manchmal dramatischer aus, als sie sind – erfahrungsgemäß verschwinden sie nach wenigen Tagen.

Rücken mit Schröpfgläsern
Schröpfgläser im Einsatz – die kreisrunden Abdrücke verschwinden nach kurzer Zeit
Massagen mit Tiefgang – nichts für Zartbesaitete

Diese Massagen haben wenig mit klassischen Wellnessbehandlungen zu tun. Sie sind kräftig, manchmal schmerzhaft – und genau darauf ausgelegt, Spannungen gezielt zu lösen.

Im Mittelpunkt steht nicht das Abschalten, sondern das Wiederherstellen von Fluss, Beweglichkeit und innerer Ordnung.

Wer sich zum ersten Mal darauf einlässt, ist oft überrascht, wie tief sie wirkt – und wie wohltuend sie im Nachhinein ist.

Kräuterdampf & Badezeit – Regeneration auf vietnamesisch

Heilpflanzen wie Zitronengras, Eukalyptus oder Ingwer werden für Bäder oder Dampfanwendungen verwendet.

Besonders bekannt sind die traditionellen Kräuteranwendungen der Dao-Minderheit im Norden Vietnams. Sie werden genutzt bei Muskelverspannungen, Erschöpfung oder einfach zur Regeneration – vor allem nach körperlicher Belastung oder in der kühlen Jahreszeit.

Für viele gehört diese Art der Anwendung einfach dazu – besonders, wenn es darum geht, zur Ruhe zu kommen und den Körper zu entlasten.

Ein persönlicher Zugang

Wer sich auf die traditionelle Medizin einlässt, merkt schnell: Es geht nicht um Entweder-oder, sondern um ein Ergänzen.
Um die Suche nach innerem Gleichgewicht – im eigenen Tempo, mit eigenen Mitteln.
Und manchmal beginnt dieses Streben nach Balance mit Akupunkturnadeln und einem in Flammen stehenden Rücken – durch Erfahrungen, die sich nicht sofort erklären lassen. Aber sie wirken.

Auch eine Migräne, die trotz herkömmlicher Behandlung nicht weichen will, kann hier eine neue Richtung bekommen – manchmal durch ganz andere Impulse als erwartet.

Ly bei der Akupunktur

 

Ein Fazit von Ly und Heiko

Wir sind keine Ärztinnen oder Therapeuten – und dieser Blog ersetzt keine fundierte Beratung.

Aber wir haben erlebt, was traditionelle vietnamesische Medizin im Alltag leisten kann – bei uns selbst und im direkten Umfeld. Sie ist kein Wundermittel, kein Allheilmittel – aber ein Teil unseres Weges, dem wir inzwischen vertrauen.

Nicht alles in Vietnam erklären wir uns. Aber vieles erleben wir.

Vielleicht liegt genau darin auch eine Chance für uns – mit kleinen Impulsen gesünder älter zu werden.

Bis bald,

Ly & Heiko.


Kommentare: 4
  • #4

    ly & heiko (Sonntag, 04 August 2024 16:07)

    Hallo Thomas,

    danke fuer deine Nachricht. Anwort ist unterwegs.
    BG
    Ly & Heiko

  • #3

    Thomasseifert@hsp-international.com (Sonntag, 04 August 2024 12:46)

    Freundliches Hallo!
    Ich lebe seit 3 Jahren in Saigon und bekomme nächstes Jahr Besuch von 2 Freunden aus Deutschland.
    Habt Ihr ein Angebot für 7- 10 Tage Reisebgleitung incl. Auto und Programm.
    Danke LG Thomas

  • #2

    Ly & Heiko (Sonntag, 14 Juli 2024 14:31)

    Hallo Daniela,
    vielen Dank für deine Nachricht. Lass uns hierzu bitte telefonieren. Wir sind auf WhatsApp unter +84 988844 301 zu erreichen.

    Beste Grüße,
    Ly & Heiko.

  • #1

    Daniela (Sonntag, 14 Juli 2024 13:12)

    Hallo zusammen
    Mein Sohn ist aktuell in Vietnam. Er hat chronische Magenprobleme, die jetzt leider wieder aufgekommen sind. Anstatt die Reise genießen zu können, muss er dich täglich übergeben. Was würdet ihr ihm in Bezug auf die traditionelle viatnameschische Medizinkunst raten?